Betriebliche Übung

 

Ansprüche eines Arbeitnehmers auf eine bestimmte Leistung können sich nicht nur aus einem Gesetz, Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag selbst ergeben, sondern auch aufgrund einer betrieblichen Übung.

Es handelt sich hierbei um eine bestimmte Verhaltensweise des Arbeitgebers in seinem Betrieb, die regelmäßig wiederholt wird und so bei den Arbeitnehmern den Eindruck einer Gesetzmäßigkeit hervorruft. Hat der Arbeitgeber z. B. durch Aushang am Schwarzen Brett immer wieder ein Weihnachtsgeld versprochen und bezahlt, kann eine solche betriebliche Übung entstanden sein und dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf das Weihnachtsgeld gewähren, auch wenn der Arbeitgeber eine solche Leistung durch Aushang am Schwarzen Brett in den Folgejahren nicht mehr verspricht.

Die betriebliche Übung ist gesetzlich nicht geregelt, sie ist von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelt worden.

Bei einer betrieblichen Übung geht es meist um Vergünstigen für Arbeitnehmer, also z. B. Zulagen, Gratifikationen, aber auch grundsätzlich alles, was in allgemeinen Arbeitsbedingungen regelbar ist, z. B. auch Freizeitausgleich.

Anknüpfungspunkt für die betriebliche Übung ist aber nicht die individuelle Übung gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer, sondern die allgemeine Übung im Betrieb; sie gilt auch für neu eingetretene Arbeitnehmer. Die betriebliche Übung betrifft freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, die nach dem Gesetz nicht zu zahlen sind, wie z. B. ein Weihnachtsgeld. Ist aber der Weihnachtsgeldanspruch z. B. im Arbeitsvertrag geregelt, hat der Arbeitnehmer selbstverständlich einen Anspruch, ohne dass es dann einer betrieblichen Übung bedarf. Die Fälle der betrieblichen Übung betreffen also Sachverhalte, in welchen eine arbeitsvertragliche Regelung über die Leistung fehlt, der Arbeitgeber aber wiederholt diese Leistung erbringt.

Eine betriebliche Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber dreimal hintereinander, vorbehaltlos, z. B. eine Weihnachtsgratifikation zahlt. Diesem wiederholten und gleichförmigen Verhalten kann der Arbeitnehmer entnehmen, dass der Arbeitgeber sich für die Zukunft binden will, woraus ihm ein Anspruch auf die betreffende Leistung erwächst.

Die Betriebsübung kann durch den Arbeitgeber auch wieder beseitigt werden:

 Die Beseitigung ist z. B. möglich, wenn der Arbeitgeber sich jeweils bei der Gewährung der Leistung den Widerruf vorbehalten hatte (zu beachten ist: Hat der Arbeitgeber die Leistung immer mit dem Zusatz versehen, dass sie nur unter Vorbehalt und ohne Rechtsanspruch für die Zukunft gewährt wird, ist eine betriebliche Übung erst gar nicht entstanden). Auch wenn sich der Arbeitgeber den Widerruf der Vergünstigung vorbehalten hatte, muss jedoch der Widerruf der Billigkeit entsprechen und unterliegt insoweit der gerichtlichen Überprüfung (§ 315 BGB).

 Der bloße Aushang einer Mitteilung des Arbeitgebers, er könne aufgrund der wirtschaftlichen Lage in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld zahlen, genügt nicht für die Beendigung der betrieblichen Übung. Gibt der Arbeitgeber jedoch über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren zu erkennen, dass er die bisher vorbehaltlos gewährte Gratifikationszahlung nunmehr von einem Freiwilligkeitsvorbehalt abhängig macht und widersprechen die Arbeitnehmer dieser geänderten Handhabung nicht, hat eine Ablösung der früheren betrieblichen Übung stattgefunden (BAG 26.3.1997, DB 1997, 1672).

Die Beendigung der betrieblichen Übung ist auch durch Ausspruch einer Änderungskündigung möglich, nämlich die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber verbunden mit dem gleichzeitigen Angebot, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen zu neuen Arbeitsbedingungen, d. h. in diesem Fall ohne den durch betriebliche Übung entstandenen Anspruch, z. B. auf eine Gratifikation.