Vorstand

1.

Bei dem dem Vorstandsamt zugrunde liegenden Anstellungsvertrag handelt es sich um kein Arbeitsverhältnis, vielmehr um ein Dienstvertragsverhältnis gemäß §§ 611, 675 BGB. das Kündigungsschutzgesetz für Arbeitsverhältnisse gilt daher nicht.

Bei der Beendigung des Anstellungsvertrages als Vorstandsmitglied stellt sich die Frage, ob ein etwaig bestehendes früheres Arbeitsverhältnis wieder auflebt und daher im Falle einer Kündigung die Arbeitnehmerschutzrechte nach dem Kündigungsschutzgesetz geltend gemacht werden könnten. Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Möglichkeit in mehreren Entscheidungen anerkannt (z. B. BAG 25.6.1997, NZA 1997, 1363).

Wenn im Dienstvertrag das früher bestehende Arbeitsverhältnis ausdrücklich aufgehoben wird, kann nach der Rechtsprechung ein Wiederaufleben des alten Arbeitsverhältnisses mit den entsprechenden Rechten im Falle der Beendigung der Vorstandstätigkeit nicht in Frage kommen (BAG, a. a. O.).

2.

Die Beendigung des Vorstands-Anstellungsvertrages richtet sich daher ausschließlich nach Dienstvertrags- und dem Aktienrecht.

Als Vorstandsmitglied müssen zwei Rechtsverhältnisse voneinander unterschieden werden:

Das Organschaftsverhältnis als Vorstand und das Dienstvertragsverhältnis gemäß dem abgeschlossenen Anstellungsvertrag. Die Beendigung des organschaftlichen Vorstandsamtes muß grundsätzlich nicht notwendig zu einer Beendigung des Dienstvertragsverhältnisses führen, da eben beide Rechtsverhältnisse getrennt voneinander sind.

a. Beendigung des Dienstvertragsverhältnisses

 aa. In der Regel werden Vorstandsanstellungsverträge befristet abgeschlossen.

Die Vereinbarung einer solchen Befristung ist gemäß § 84 Abs. 1 AktG zulässig, wonach der Anstellungsvertrag mit einem Vorstandsmitglied (und die organschaftliche Bestellung zum Vorstandsmitglied) maximal nur bis zu einer Dauer von fünf Jahren erfolgen darf.

ab. Eine vorzeitige Beendigung  ist in folgenden Fällen möglich:

  • Grundsätzlich ist eine ordentliche Kündigung des Dienstvertrages unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist möglich, wenn der Dienstvertrag eine solche Kündigungsmöglichkeit vorsieht; das ist meist nicht der Fall.
  • Eine vorzeitige Beendigung des Dienstvertrages ist gemäß § 626 BGB durch eine außerordentliche Kündigung möglich. Voraussetzung ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes.

Zuständig für die Abgabe der Kündigungserklärung ist gemäß §§ 112, 107 Abs. 3 S. 1 AktG der Aufsichtsrat.

Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Vorstandsmitglieds ist gegeben, wenn der Gesellschaft die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unter Aufrechterhaltung der Vergütungspflicht bis zum Ablauf der ordentlichen Amtszeit des Vorstandsmitglieds nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (wobei im Einzelfall umstritten sein kann, welche Umstände zu berücksichtigen sind). Für die Abwägung von Bedeutung sind jedenfalls die Schwere von Verfehlungen, deren Folgen für den Dienstherrn und der durch sie bewirkte Vertrauensverlust, die Größe des Verschuldens und der Grad der Wiederholungsgefahr, die Länge der (verbleibenden) Dienstzeit des Vorstandsmitglieds, etwaige besondere Verdienste um das Unternehmen, die sozialen Folgen für den Betroffenen, die diskriminierende Wirkung einer fristlosen Kündigung, das Lebensalter usw. (Kölner Komm.-Mertens, Aktiengesetz, § 84 Rz. 129).

In Frage kommen als wichtige Gründe:

  • erhebliche Pflichtverletzungen wie strafbares Verhalten, vertragliche Pflichtverstöße u. ä.
  • von einem Vorstandsmitglied ausgehende Störungen der Zusammenarbeit unter den Vorstandsmitgliedern oder mit dem Aufsichtsrat, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Geschäftsführung führen
  • Beeinträchtigung von Kredit und Ansehen der Gesellschaft
  • Ungenügen gegenüber den Anforderungen der Position
  • unloyales und unfaires Verhalten im Rahmen des Anstellungsverhältnisses

U. U. kann eine Abmahnung der Gesellschaft zunächst erforderlich sein.

Die außerordentliche Kündigung kann gemäß § 626 Abs. 2 BGB nur spätestens zwei Wochen nach Kenntnis des wichtigen Grundes ausgesprochen werden. Hier kann fraglich sein, auf wessen Kenntnis es ankommt. Bei der Aktiengesellschaft ist die Kenntnis des Aufsichtsrats maßgebend (BGH 15.6.1998, NJW 1998, 3274).

Im Falle einer außerordentlichen Kündigung des Dienstvertrages wird zugleich auch die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen, so daß damit das Vorstandsamt und das Dienstvertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung enden. Der Vorstand kann jedoch hiergegen Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung und des Widerrufs der Bestellung erheben. War die Kündigung unberechtigt, muß die Gesellschaft die Vergütung nachzahlen.

Oft ist in Vorstands-Dienstverträgen die Beendigung des Dienstvertrages gekoppelt an dem Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied.  Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei dem Vorstandsamt und dem Dienstvertragsverhältnis um zwei Rechtsverhältnisse.

Die Beendigung des Vorstandsamtes ist in § 84 Abs. 3 AktG geregelt. Danach kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied jederzeit widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

In § 84 Abs. 3 S. 2 AktG nennt das Gesetz beispielhaft

  • grobe Pflichtverletzung oder
  • Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder
  • Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß ein wichtiger Grund für die Abberufung des Vorstandsmitglieds gegeben ist, wenn aufgrund bestimmter Umstände der Gesellschaft die Beibehaltung des Vorstandmitglieds bis zum Ablauf seiner Amtszeit von Rechts wegen nicht mehr zugemutet werden kann. Diese Umstände müssen nicht in der Person des Vorstandsmitglieds selbst gegeben sein. Insbesondere kommt es auch nicht auf ein Verschulden des Vorstandsmitglieds an (BGH, WM 1955, 1222). Ein wichtiger Grund kann beispielsweise auch zu sehen sein in der jeweils an bestimmten Umständen festzumachenden notorischen Erfolglosigkeit oder Überforderung des Vorstandsmitglieds, in einer Veränderung der Unternehmens- oder der Vorstandsstruktur, in die ein Vorstandsmitglied nicht mehr paßt, oder in einem unüberbrückbaren Zerwürfnis des Vorstands mit dem Aufsichtsrat (Kölner Komm.-Mertens, Aktiengesetz, § 84, Rz. 103).

Zu beachten ist, dass der „wichtige Grund“ für die oben dargestellte außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages gemäß § 626 BGB nicht identisch ist mit dem eben dargestellten „wichtigen Grund“ für die Abberufung vom Vorstandsamt gemäß § 84 Abs. 3 AktG, wenn der wichtige Grund auch oft für gleiche Tatbestände identisch sein wird. Bei dem „wichtigen Grund“ für die außerordentliche Kündigung des Vertrages nach § 626 BGB handelt es sich meist um Verfehlungen des Vorstandsmitglieds selbst, während ein wichtiger Grund für die Abberufung vom Vorstandsamt gemäß § 84 Abs. 3 AktG auch schon gegeben sein kann, wenn die Hauptversammlung dem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzieht, selbst wenn der Vertrauensentzug seiner sachlichen Berechtigung nach zweifelhaft ist (Kölner Komm.-Mertens, § 84 AktG, Rz. 104, 105 mit Nachweisung zur Rechtsprechung des BGH).

 b. Beendigung des Vorstandsamtes

Aufgrund der Trennung der Rechtsverhältnisse zwischen Dienstvertrag und Vorstandsamt ist die Beendigung des Vorstandsamtes unabhängig von einer Beendigung des Dienstvertrages. Die Beendigung des Vorstandsamtes richtet sich allein nach § 84 Abs. 3 AktG.

Das Vorstandsamt kann nach § 84 Abs. 3 AktG durch Abberufung durch den Aufsichtsrat erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die wichtigen Gründe habe ich bereits oben besprochen.

Die Abberufung führt aufgrund Ziff. 3.5 des Anstellungsvertrages gleichzeitig zur Beendigung des Anstellungsvertrages, wie ebenfalls oben ausgeführt.

Auch gegen die Abberufung als Vorstandsmitglied hat das Vorstandsmitglied Rechtsschutzmöglichkeiten. Es kann also Klage erhoben werden vor dem Landgericht auf Feststellung, daß die Abberufung als Vorstandsmitglied unwirksam ist, weil kein wichtiger Grund i. S. des § 84 Abs. 3 AktG vorliegt.

Es stellt sich dann die Frage, ob die Klage eine aufschiebende Wirkung dahingehend hätte, daß das abberufene Vorstandsmitglied so lange Vorstand bleibt, bis die Gerichte über die Klage entschieden haben.

Das Gesetz hat sich jedoch anders entschieden: Gemäß § 84 Abs. 3 S. 4 AktG bleibt die Abberufung als Vorstandsmitglied so lange wirksam, bis ihre Unwirksamkeit durch die Gerichte rechtskräftig festgestellt wurde, was natürlich u. U., wenn alle Instanzen bemüht werden, sogar Jahre dauern kann. Die gesetzliche Regelung führt dazu, daß sich der Aufsichtsrat praktisch jederzeit von einem unliebsamen Vorstandsmitglied trennen kann, und zwar unabhängig davon, ob ein wichtiger Grund vorliegt oder das betroffene Vorstandsmitglied mit der Abberufung einverstanden ist. Bis zur Rechtskraft eines Gerichtsurteils kann oft so viel Zeit vergehen, daß die Amtsperiode, d. h. das Vertragsverhältnis ohnehin abgelaufen ist. Ein für das Vorstandsmitglied positiver Entscheid des Gerichts, also die Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung und in Ihrem Falle damit auch der Beendigung des Vertragsverhältnisses, hätte dann lediglich die Wirkung, daß die Gesellschaft Ihre Vergütung nachzahlen muss.

Von dieser Rechtslage ist auch deshalb auszugehen, da auch einstweiliger Rechtsschutz, also eine Entscheidung im Eilverfahren auf vorläufige Aufhebung der Abberufung, unzulässig ist, es sei denn, es fehlt überhaupt an einem ordnungsgemäßen Aufsichtsratsbeschluß über die Abberufung oder der Aufsichtsratsbeschluß ist wegen Verstoßes gegen formelle Voraussetzungen nichtig (Kölner Komm.-Mertens, § 84, Rz. 97).

In der Praxis werden daher meist gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden und eine einvernehmliche außergerichtliche Regelung erzielt.