Abfindung

Viele Arbeitnehmer gehen davon aus, dass sie einen Anspruch auf eine Abfindung hätten. Das ist allerdings nicht der Fall. Dennoch hält sich diese Auffassung hartnäckig, weil auch in der Presse und den Medien immer wieder von „Abfindungsansprüchen“ die Rede ist. Gerade bei Massenentlassungen bei Unternehmen und Konzernen ist immer wieder davon zu lesen.

Abfindung und Rechtsanspruch

Ein Rechtsanspruch auf eine Abfindung besteht jedoch nur in Ausnahmefällen:

  • Bei Massenentlassungen in einem Unternehmen mit einem Betriebsrat kommt es meist zu einem Sozialplan. Hieraus ergibt sich in der Regel ein Anspruch auf eine Abfindung.
  • Manche Tarifverträge sehen bei Umstrukturierungen Mindestabfindungen vor.
  • In einem Kündigungsschutzprozess können sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber einen sog. Auflösungsantrag gemäß § 9 Kündigungsschutzgesetz stellen, wonach das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auflösen soll. Der Haken dabei ist jedoch, dass das Arbeitsgericht dem Antrag nur entspricht, wenn es dem Arbeitnehmer nicht mehr zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis – trotz Unwirksamkeit der Kündigung – fortzusetzen bzw. wenn eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht mehr zu erwarten ist. Da jedoch die Arbeitsgerichte strenge Anforderungen an die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. an die nicht mehr zu erwartende gedeihliche Zusammenarbeit stellen, werden in der Praxis solche Auflösungsanträge nur selten gestellt bzw. sind nur ausnahmsweise erfolgreich.
  • Der Arbeitgeber verspricht bereits im Kündigungsschreiben (einer betriebsbedingten Kündigung) die Zahlung einer Abfindung, wenn der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung erhebt (§ 1 a Kündigungsschutzgesetz). Lässt der Arbeitnehmer in diesem Fall die Kündigungsschutzklage, hat er einen Anspruch auf eine Abfindung.

Ansonsten gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung. Nach dem deutschen Arbeitsrecht gilt im Falle einer Kündigung vielmehr:

  • Ist die Kündigung des Arbeitgebers rechtsunwirksam, hat der Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungsanspruch.
  • Ist die Kündigung des Arbeitgebers dagegen berechtigt, endet das Arbeitsverhältnis – ohne Anspruch auf eine Abfindung.

Dennoch werden in der Praxis in den meisten Kündigungsfällen Abfindungen gezahlt.

Woran liegt das?

Jede Kündigung des Arbeitgebers muss den gesetzlichen Anforderungen, insbesondere des Kündigungsschutzgesetzes, entsprechen. Die Kündigung muss nach dem Kündigungsschutzgesetz sozial gerechtfertigt sein. Die Voraussetzungen hierfür sind hoch. Viele Arbeitgeberkündigungen erfüllen die Voraussetzungen nicht. Das ist die Situation, in welcher der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abfindung anbietet zur Abwendung der Weiterbeschäftigung.

Gefragt ist also zunächst die zutreffende rechtliche Einschätzung der kündigungsrechtlichen Situation. Darauf basiert die richtige Handlungsstrategie. Insbesondere taktische Überlegungen spielen eine Rolle.

Ist die Arbeitgeberkündigung voraussichtlich unwirksam und muss der Arbeitgeber daher die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung durch das Arbeitsgericht befürchten, kann oft eine (freiwillige) Abfindungszahlung in Verhandlungen erreicht werden. Besteht dagegen eine Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeitgeberkündigung wirksam ist, ist der Arbeitgeber eher nicht bereit, eine Abfindungsforderung zu erfüllen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber erfährt, dass der Arbeitnehmer bereits eine neue Arbeitsstelle gefunden hat, obwohl er gegen die Kündigung prozessiert; dann rechnet er nicht mehr mit dessen Weiterbeschäftigung, selbst wenn das Gericht die Kündigung für unwirksam erklärt. Entscheidend für die Abfindungsverhandlung ist daher die richtige Prognose darüber, ob die Arbeitgeberkündigung wirksam ist.

Wird keine Einigung über eine Abfindungszahlung erzielt, muss das Gericht über die Rechtswirksamkeit der Kündigung entscheiden. Ist die Kündigung wirksam, weist das Arbeitsgericht die Klage ab – der Arbeitnehmer erhält keine Abfindung.

In welcher Höhe kann eine Abfindung erwartet werden?

Einen Anhaltspunkt bietet die sogenannte Faustformel, die sich in der Praxis herausgebildet hat. Sie lautet: 1/2 Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Voraussetzung für die Anwendung dieser Faustformel ist, dass der Arbeitnehmer sehr gute Chancen hat, einen Kündigungsschutzprozess zu gewinnen. Jedes Prozessrisiko vermindert die Abfindungssumme. Aber: Von dieser Faustformel wird sehr oft nach oben oder nach unten abgewichen. Bei Abfindungsforderungen sollten jedoch psychologische Grenzen beachtet werden; wird eine zu hohe Forderung gestellt, kann es erfahrungsgemäß dazu kommen, dass der Arbeitgeber jegliche Abfindungszahlung ablehnt und lieber den Kündigungsprozess führt.

Die Höhe von Abfindungen hängt in vielen Fällen auch von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ab. Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten sinkt oft die Großzügigkeit. Bei der Berechnung der Abfindung kann von einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt oder auch nur von dem einfachen Bruttomonatsgehalt ausgegangen werden – je nachdem, was in Verhandlungen erreicht werden kann.

Im Falle einer Kündigung muss der Arbeitnehmer also zunächst klären, welches Ziel er verfolgt: Abfindung oder Weiterbeschäftigung.

Je nach Ziel muss er seine Verhandlungsstrategie darauf ausrichten. Vorher müssen jedoch die Prozessaussichten richtig eingeschätzt werden. Sind die Aussichten schlecht, muss überlegt werden, ob überhaupt eine Klage eingereicht wird. Evtl. ist dann ein außergerichtliches Angebot des Arbeitgebers vorzuziehen.  Bei guten Aussichten muss erst recht überlegt werden, ob tatsächlich die (mögliche) Weiterbeschäftigung erreicht werden soll oder lieber eine höhere Abfindungszahlung.

Abfindung und Steuer

Für Abfindungen, die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, gibt es keine Steuerfreibeträge mehr. Der Gesetzgeber hat sie abgeschafft.

Nach wie vor möglich ist jedoch die Steuerermäßigung der Abfindung. Voraussetzung für die Steuerermäßigung ist, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber veranlasst war. Dies ist bei einer Arbeitgeberkündigung unproblematisch. Endet das Arbeitsverhältnis auf Grund eines Aufhebungsvertrages, sollte die arbeitgeberseitige Veranlassung im Vertrag ausdrücklich aufgeführt werden. Wird die Abfindung in Raten gezahlt, gilt die Steuerermäßigung grundsätzlich nur, wenn alle Zahlungen mindestens in einem Kalenderjahr zufließen (Zusammenballungsprinzip).

Die Steuerermäßigung erfolgt durch die sog. Fünftelungsregelung. Das bedeutet, dass die Steuer so berechnet wird, als sei die Abfindung verteilt auf fünf Jahre zugeflossen. Je niedriger sich der Arbeitnehmer in der Progression befindet, desto günstiger wirkt sich die Regelung für ihn aus. Der steuerlich ermäßigende Effekt der Fünftelungsregelung nimmt mit steigendem Einkommen ab (Ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von ca. 55.000,00 € bei Alleinstehenden und ca. 110.000,00 € bei Verheirateten gibt es praktisch keine Steuervorteile mehr).

Abfindung und Sozialversicherung

Für Abfindungen müssen keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden.

Dies gilt freilich nur, soweit es sich um eine „echte“ Abfindung handelt. Wird dagegen Arbeitsvergütung, die dem Arbeitnehmer für einen Zeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustand, als „Abfindung“ ausgezahlt, so handelt es sich nur um eine Scheinabfindung, für die selbstverständlich Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen sind.

Abfindung und Anrechnung auf Arbeitslosengeld

Eine Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld darf die Bundesagentur für Arbeit nur vornehmen, wenn die für den Arbeitgeber geltende ordentliche Kündigungsfrist bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht eingehalten wurde. Auf Grund einer Arbeitgeberkündigung darf das Arbeitsverhältnis also erst nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist enden, bei einem Aufhebungsvertrag muss zwischen dem Tag des Abschlusses (Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag) und dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zeitspanne liegen, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht.

Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet, kommt es zu einer Anrechnung der Abfindung, was zur Folge hat, dass der Arbeitslosengeldanspruch grundsätzlich so lange ruht, bis die Zeitspanne, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht, abgelaufen ist. Der genaue Ruhenszeitraum ist abhängig vom Lebensalter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit.

Wenn der Arbeitgeber ordentlich gar nicht kündigen darf (tarifliche oder vertragliche Unkündbarkeit) geht das Gesetz von einer fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten aus (§ 158 Abs. 1 Sozialgesetzbuch III). Der Arbeitslosengeldanspruch darf jedoch höchstens 1 Jahr seit dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ruhen (§ 158  Abs. 2 Sozialgesetzbuch III).

Abfindung und Sperrzeit bei Anspruch auf Arbeitslosengeld

Sperrzeit bedeutet, dass der Arbeitnehmer im Falle der Arbeitslosigkeit für einen Zeitraum von grundsätzlich 12 Wochen kein Arbeitslosengeld erhält. Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldanspruchs verkürzt sich sogar um ein Viertel der Anspruchsdauer (bei 12 Monaten Anspruch auf Arbeitslosengeld also auf 9 Monate). Erkrankt der Arbeitslose während der Sperrzeit, ruht auch sein Anspruch auf Krankengeld (§ 49 Nr. 3 Sozialgesetzbuch V). Während des ersten Monats der Sperrzeit besteht aber Anspruch auf die Sachleistungen der Krankenversicherung.

Danach muss sich der Arbeitslose freiwillig krankenversichern. In der Rentenversicherung wird ein Monat der Sperrzeit nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt.

Gemäß § 159 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch III erhält der Arbeitnehmer eine Sperrzeit, wenn das Arbeitsverhältnis auf Grund vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers, also z. B. bei einer verhaltensbedingten Kündigung, oder bei einem Aufhebungsvertrag, der wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers abgeschlossen wurde, endet.

Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer auch dann eine Sperrzeit, wenn er das Vertragsverhältnis selbst gekündigt hat, ohne einen wichtigen Grund hierfür zu haben.

Bei einem Aufhebungs- und/oder Abwicklungsvertrag – einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses – tritt grundsätzlich eine Sperrzeit ein, es sei denn, der Arbeitnehmer hatte einen wichtigen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. War die angedrohte oder ausgesprochene Kündigung objektiv sozial gerechtfertigt gemäß § 1 KSchG, liegt selbst bei Zahlung einer Abfindung ein wichtiger Grund vor.

Bei einem Aufhebungsvertrag müssen zusätzlich durch den Aufhebungsvertrag objektive Nachteile aus einer arbeitgeberseitigen Kündigung für das berufliche Fortkommen vermieden werden. Außerdem muss der Arbeitnehmer nur bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages eine Abfindung oder eine mindestens 10 % höhere Abfindung als im Falle einer Kündigung erreicht haben. War die angedrohte oder ausgesprochene Kündigung offenkundig rechtswidrig, kommt es zu einer Sperrzeit.

Das Vorliegen eines wichtigen Grundes wird von der Bundesagentur angenommen, wenn der Arbeitnehmer auf einer Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG stand (betriebsbedingte Massenentlassung).

Von einem wichtigen Grund wird auch dann ausgegangen, wenn die Abfindungshöhe zwischen 0,25 und 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr liegt. Bei einer höheren Abfindung muss mit einer Sperrzeit gerechnet werden (BSG 12.07.2006 NZA 2006, 1359).

Keine Sperrzeit erhält der Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die Höhe der Abfindung, wenn sie im Zusammenhang mit einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung gezahlt wird und der Abfindungsbetrag durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Sozialplan festgelegt ist (Rundschreiben der Bundesagentur IV/70 vom 14.08.2006).

Endet das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auf Grund eines Vergleichs beim Arbeitsgericht im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens, erhält der Arbeitnehmer keine Sperrzeit, wenn es sich um eine betriebsbedingte Kündigung handelte und die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten wurde. Dies gilt selbst dann, wenn die Abfindung höher ist als 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr.

Dies gilt nur dann nicht, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorher die Arbeitgeberkündigung mit anschließender Klage vor dem Arbeitsgericht abgesprochen hatten mit dem Ziel, den Eintritt einer Sperrzeit zu verhindern (Bundessozialgericht vom 17.10.2007, B 11 a AL 51/06 R und Durchführungsanweisung 144.19).

Ein wichtiger Grund, der eine Sperrzeit ausschließt, liegt auch dann vor, wenn es dem Arbeitnehmer nicht mehr zumutbar war, das Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Arbeit fortzusetzen; hier kann ein ärztliches Attest helfen. Auch in Mobbing-Fällen kann ein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben sein.