Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.05.2013 2 AZR 102/12
Sachverhalt
In einem Tankstellenbetrieb des Arbeitsgebers war ein Bezirksleiter beschäftigt, bei dem der Verdacht bestand, dass er Aufträge an Handwerker zu seinen Gunsten erteilt hatte, aber auf Kosten und Rechnung seines Arbeitgebers. Aufgrund dieses Verdachts hatte der Arbeitgeber mehrere Kündigungen, u. a. am 05.10.2010 fristlos ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist ausgesprochen. Der Bezirksleiter erhob dagegen Kündigungsschutzklage. Während der Kündigungsprozess noch lief, stellte der Arbeitgeber am 28.07.2011 weitere Unregelmäßigkeiten des Bezirksleiters fest und führte sie im August 2011 zur (weiteren) Begründung der früher ausgesprochenen fristlosen Kündigung vom 05.10.2010 in den Prozess ein.
Der Bezirksleiter bestritt diese „Unregelmäßigkeit“ und machte außerdem geltend, diese neue Begründung dürfte nicht berücksichtigt werden, weil er hierzu nicht angehört worden sei und ein Nachschieben einer weiteren Begründung zu einer früheren ausgesprochenen fristlosen Kündigung ohnehin nicht rechtens sei.
Das BAG ist dem nicht gefolgt. Es bestätigte die Rechtswirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 05.10.2010.
Das BAG stellte zunächst fest, dass nicht nur wegen einem feststehenden vertragswidrigen Verhalten in gravierenden Fällen fristlos gekündigt werden kann, sondern auch, wenn nur der Verdacht für ein solches gravierendes vertragswidriges Verhalten des Arbeitsnehmers besteht. Voraussetzung für die Verdachtskündigung sei aber,
– dass sich der Verdacht auf feststehende Tatsachen gründet (und nicht nur auf ein Gefühl)
– und dass eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Tat, deren der Arbeitnehmer verdächtigt wird, auch von ihm begangen wurde und geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
– und dass der Arbeitgeber vorher alle Anstrengungen unternommen hat, um den Sachverhalt aufzuklären, insbesondere den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung anhört.
Zur Begründung einer solchen Verdachtskündigung dürfen auch später bekannt gewordene Umstände berücksichtigt werden, wenn sie zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits objektiv vorgelegen hatten. Nach dem BAG gilt das auch für solche nachgeschobenen Tatsachen, die den Verdacht eines neuen eigenständigen Kündigungsvorwurfs begründeten – Voraussetzung: Sie haben bereits objektiv zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorgelegen.
In diesem Fall – so das BAG – ist eine erneute Anhörung des Arbeitnehmers nicht erforderlich.
Auch die 2-Wochen-Frist nach der eine fristlose Kündigung spätestes 2 Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden darf, steht dem nicht entgegen. Nach dem BAG gilt diese Frist nicht für nachgeschobene Gründe – wenn sie bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorgelegen haben.
In vorliegendem Falle war die neu dargelegte „Unregelmäßigkeit“ objektiv bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung vom 05.10.2010 vorgefallen. Deshalb durfte sie also auch zur Begründung jener Kündigung ergänzend berücksichtigt werden.