Abmahnung


a.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist Voraussetzung für eine sogenannte verhaltensbedingte Kündigung, also eine Kündigung zum Beispiel wegen schlechter Leistungen oder Unpünktlichkeit u. ä., der vorherige Ausspruch einer Abmahnung. Mit der Abmahnung soll der Arbeitnehmer gewarnt werden (Warnfunktion der Abmahnung), dass er im Wiederholungsfalle mit einer Kündigung rechnen muss. In der Regel ist eine verhaltensbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber das mit der Kündigung geahndete Verhalten zuvor nicht abgemahnt hatte (BAG vom 18.05.1994, zit. in KR-Etzel, § 1 KSchG, Rdnr. 390). Insofern kann also eine Abmahnung eine Kündigung vorbereiten.

Ob eine Abmahnung erforderlich ist, hängt nach der Rechtsprechung davon ab, ob es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und ob die Wiederherstellung des Vertrauens des Arbeitgebers zu erwarten ist (BAG 10.06.2010, 2 AZR 541/09).

Ausnahmsweise kann eine vorherige Abmahnung entbehrlich sein, nämlich wenn eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann, oder wenn es um eine schwere Pflichtverletzung geht, die der Arbeitnehmer hätte erkennen müssen.

In der Praxis hält sich die (irrige) Auffassung, nach drei Abmahnungen wäre automatisch eine Kündigung gerechtfertigt. Dies ist allerdings falsch. Die Rechtsprechung hat keine bestimmte Anzahl von Abmahnungen festgelegt. Vielmehr kommt es auf die Schwere der Pflichtverstöße, die Dauer der (unbescholtenen) Betriebszugehörigkeit an bzw. ob Entschuldigungsgründe vorliegen und ähnliches. Letztlich kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an.

b.

Eine Abmahnung im Sinne einer Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung liegt nach der Rechtsprechung des BAG aber nur vor, wenn der Arbeitnehmer deutlich und ernsthaft ermahnt und aufgefordert wird, ein genau bezeichnetes Fehlverhalten zu ändern bzw. aufzugeben. Außerdem muss der Hinweis enthalten sein, dass im Wiederholungsfall der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Bestimmte kündigungsrechtliche Maßnahmen brauchen aber nicht angedroht zu sein (BAG vom 18.01.1989, AP 32 zu § 1 KSchG 1969, Verhaltensbedingte Kündigung).

c.

In der Regel nimmt der Arbeitgeber die Abmahnung in die Personalakte auf, was nachteilige Folgen für die berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers (z.B. für Beförderung und Gehaltserhöhungen) haben kann. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass der Arbeitgeber eine Abmahnung oder auch sonst eine missbilligende Äußerung in Form einer Ermahnung oder Rüge und allen auf sie bezogenen Schriftwechsel aus der Personalakte entfernt wenn die Abmahnung unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, die den Arbeitnehmer in seiner Rechtsstellung und seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigen (BAG, NZA 1993, 838). Für die Frage, ob ein solcher Entfernungsanspruch besteht, kommt es allein darauf an, ob der erhobene Vorwurf objektiv gerechtfertigt ist, nicht aber, ob das beanstandete Verhalten dem Arbeitnehmer auch subjektiv vorgeworfen werden kann (ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt vom 10.11.1993, 7 AzR 672/92, NZA 1994, 500). Auch wenn die Abmahnung inhaltlich nicht bestimmt genug kann ein Anspruch auf Entfernung bestehen (LAG Köln vom 29.09.1982, DB 1983, 124 u. ArbG Karlsruhe vom 07.05.1987, BB 1987, 2168).

Allerdings darf der Arbeitgeber kleinste Fehler nicht abmahnen (BAG vom 13.11.1991, 5 AzR 74/91, AuR 1992, 155). Werden in der Abmahnung mehrere Pflichtverletzungen gerügt, müssen alle Vorwürfe berechtigt sein. Ist nur ein Vorwurf unberechtigt, ist die Abmahnung insgesamt aus der Personalakte zu entfernen (LAG Düsseldorf vom 18.11.1986, NZA 1987, 354).

Gemäß § 83 I BetrVG hat der Arbeitnehmer das Recht, Einsicht in die Personalakte zu nehmen. Er kann hierzu ein Betriebsratsmitglied hinzuziehen.

d.

Es gibt keine Regelausschlussfrist, innerhalb derer die Abmahnung ausgesprochen werden muss (BAG vom 15.01.1986, NZA 1986, 421).

e.

Eine einmal erteilte Abmahnung wegen eines bestimmten Sachverhaltes schließt eine Kündigung wegen des gleichen Sachverhaltes aus (BAG vom 10.11.1988, 2 AzR 215/88, AuR 1989, 257). Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des gleichen Sachverhalts, der in der Abmahnung genannt wird, ist daher nicht rechtens

f.

Gegen eine Abmahnung kann der Arbeitnehmer Klage vor dem Arbeitsgericht erheben mit dem Antrag, die Abmahnung zurückzunehmen, und die Abmahnung und allen auf sie bezogenen Schriftwechsel aus der Personalakte zu entfernen.

Für den Arbeitnehmer kann es aus taktischen Erwägungen nach den Umständen des Einzelfalles durchaus von Vorteil sein, eine Abmahnung nicht gesondert durch Klage anzugreifen. Die Rechtsprechung lässt nämlich zu, dass sich der Arbeitnehmer selbst in einem späteren Kündigungsschutzprozess noch auf die fehlende Berechtigung zur Abmahnung beruft, und zwar selbst dann, wenn der Arbeitnehmer diese Abmahnung widerspruchslos hingenommen hat (BAG vom 13.03.1987, NZA   1987, 518). Aufgrund des Zeitablaufs haben Arbeitgeber dann häufig Beweisschwierigkeiten (da sie die Berechtigung der Abmahnung beweisen müssen).

Auch im Hinblick darauf raten wir grundsätzlich von der Durchführung eines Klageverfahrens gegen eine Abmahnung ab. Hinzu kommt, dass Aufwand und Ertrag eines solchen Prozessverfahrens meist in keinem sinnvollen Verhältnis steht und das Arbeitsverhältnis hierdurch schwer belastet wird

Dies gilt auch für sonstige Ermahnungen oder abqualifizierende Beurteilungen.

In Ausnahmefällen kann sich natürlich etwas anderes ergeben.

g.

Eine Abmahnung kann auch durch Zeitablauf wirkungslos werden. Eine bestimmte Regelfrist gibt es jedoch nicht, der Zeitpunkt richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles (BAG 18.11.1986, NZA 1987, 418). Das LAG Hamm hat demgegenüber entschieden, dass die Abmahnung in der Regel nach einem Ablauf von zwei Jahren wirkungslos wird, so dass der Arbeitgeber sich auf sie zur Rechtfertigung einer Kündigung nicht mehr berufen kann (LAG Hamm, 14.05.1986, AiB 1991, 386).